Seit ein paar Wochen werden wir mit Mails von Amazon zu ihrem neuen “Early Payment Program” in Kooperation mit C2FO bombardiert.
Da wir grundsätzlich neugierig sind, haben wir uns mit einem unserer Vendor-Accounts mal registriert und uns dieses neue Amazon-Programm zur Cashflow-Verbesserung genauer angeschaut.

Was ist das Amazon Early Payment Programm?

Die Einladung von Amazon kam mit einem Begleitschreiben von Tim Haladay, dem Vice President Finance Operation von Amazon. Darin schreibt er, dass Amazon eine Partnerschaft mit C2FO, einem weltweiten Marktführer für Umlaufkapitallösungen, eingegangen ist. Über deren Online-Portal können sich Vendoren frühzeitig ihre Rechnungen von Amazon bezahlen lassen.
Da bei Amazon Zahlungsziele zwischen 30 und 90 Tagen durchaus üblich sind, kann das für Hersteller oder Distributoren, die direkt an Amazon liefern, schon sinnvoll sein.

Wie funktioniert das Programm?

Amazon nutzt für die Abwicklung C2FO als Technologieanbieter. Nach einer kurzen Registrierung bekommt der Vendor Zugang zum Online-Portal von C2FO. In diesem Portal finden sich die Amazon-Rechnungen, welche durch Amazon bereits zur Auszahlung genehmigt sind, aber aufgrund der Zahlungsziele noch nicht ausgezahlt wurden.

C2FO Portal Screenshot Übersicht

Quelle: Screenshot C2FO Portal

Der Vendor kann jetzt einzelne Rechnungen auswählen (zum Beispiel die mit der höchsten Fälligkeitsdatum oder die mit dem höchsten Betrag), bietet einen Diskontbetrag (Skonto) oder einen Zinssatz an. C2FO entscheidet dann, ob sie das Angebot annehmen und erteilen gegebenenfalls den Zuschlag. Die genehmigten Rechnungen werden dann mit dem nächsten Zahllauf (i.d.R. der nächste Werktag) ausgezahlt.
Wichtig: Das Geld kommt wie gewohnt von Amazon, nicht von C2FO!

Wer ist eigentlich C2FO?

C2FO ist ein bereits 2008 gegründetes Finanztechnologie-Unternehmen und versteht sich als Marktplatz für Working Capital Management. Auf seinem Online-Portal vernetzt es Käufer und Lieferanten. Das Ganze ist gedacht als flexibles und unkompliziertes System zur Finanzierungs- und Cashflow-Optimierung im direkten Kontakt zwischen Hersteller und Händler, ohne das Zwischenschalten einer Bank und ohne teures Factoring bzw. Kontokorrent-Kredite.
C2FO ist weltweit unterwegs, nach eigenen Angaben der größte Marktplatz für Working Capital. Mehr als 300.000 Unternehmen in 173 Ländern nutzen C2FO, und übernehmen die Kontrolle über ihren Cashflow selbst und erhalten jede Woche mehr als 1 Milliarde US-Dollar an Finanzierung.

Erst im August 2019 hat C2FO eine Finanzierung über 200 Millionen US-Dollar unter Führung des SoftBank Vision Fund erhalten.

Wann ist der Einsatz für Vendoren sinnvoll?

In unserem Test haben wir folgendes Angebot erhalten: für offene Rechnungen im Wert von 64.000 EUR hätten wir den Zahllauf um 20 Tage verkürzen können. Dafür wollte C2FO einen Diskont von 0,62%, dies entspricht einem Jahreszinssatz von 12%. In der aktuellen Zinssituation nicht gerade ein Schnäppchen…

Der Einsatz kann trotzdem nützlich sein, wenn aktuelle Cashflow-Defizite schnell und unkompliziert beseitigt werden sollen, ohne erst bei der Hausbank vorsprechen zu müssen. Vorteil ist auch, dass Angebote auch für einzelne Rechnungen gemacht werden können. Nicht wie beim klassischen Factoring, wo in der Regel der Gesamtbestand gefactort werden muss und kein “Rosinenpicking” möglich ist.

Als nachteilig empfanden wir, dass nur Rechnungen im Portal sind, die im Amazon VendorCentral den Status “zur Auszahlung genehmigt” haben. Rechnungen mit dem Status “übermittelt” sind bei C2FO nicht sichtbar. Gerade für unser Direktimport-Geschäft wäre das wirklich interessant gewesen.

Kleiner Exkurs:
Rechnung übermittelt – Vendor hat die Rechnung im Amazon VendorCentral oder per EDI zu Amazon übermittelt
Zur Auszahlung genehmigt – Amazon hat die Ware bei sich im Lager vereinnahmt

Beim Direktimport liegen zwischen “Rechnung übermittelt” und “zur Auszahlung genehmigt” locker 30 bis 40 Tage. Diese Zeit kann mit dem Amazon Early Payment Program leider nicht überbrückt werden.

Für wen ist das Amazon Early Payment Programm sinnvoll?

Für alle Amazon Lieferanten, die flexibel und unkompliziert Zahlungsziele verkürzen wollen. Insbesondere, wenn kurzfristig ein Cashflow-Bedarf entsteht oder, wenn Waren beim Hersteller (z.B. in Fernost) geordert werden und die Zahlungsziele abweichen. Oder auch, wenn in Peak-Zeiten, wie zum Beispiel Weihnachten, die Kreditlimits bei den Warenkreditversicherern nicht ausreichen sollten.

Fazit:

Das Amazon Early Payment Program in Kooperation mit C2FO ist keine günstige Finanzierungslösung, aber extrem flexibel. Sie kann genutzt werden, wenn gerade Bedarf besteht und es ist auch möglich, sie nur für einzelne Rechnungen anzuwenden. Der Zahlablauf bleibt der gleiche, das Geld kommt nach wie vor von Amazon direkt, es hängen keine Banken oder Factorer dazwischen.

 

Ähnliche Beiträge

  • Veröffentlicht am: 13. Mai 2022

    Vertrauen Sie Ihrem ACoS?   Aber mal von vorn. Wenn Hersteller, Seller oder deren Agenturen Werbung auf Amazon schalten, wollen natürlich alle wissen, was die Werbung bringt, ob sie erfolgreich ist, oder ob der alte Satz von Henry Ford gilt: Ich weiß, die Hälfte meiner Werbung ist hinausgeworfenes Geld. Ich weiß nur nicht, welche Hälfte. [...]

  • Veröffentlicht am: 23. Februar 2022

    Overdue payments and open items are the horror of any accountant. It gets even more gruesome when collecting overdue receivables is like tilting at windmills. At Amazon, there are many windmills. They call themselves "shortage invoices". De facto, these are invoice reductions by Amazon for goods not delivered or delivered too little by the vendor. [...]

  • Veröffentlicht am: 23. Februar 2022

    Überfällige Zahlungen und offene Posten sind das Grauen für jeden Buchhalter. Noch grauenvoller wird es, wenn das Eintreiben der überfälligen Forderungen einem Kampf gegen Windmühlen gleicht. Bei Amazon gibt es viele Windmühlen. Sie nennen sich „Rechnungen für Fehlmengen“ oder „Shortage invoices“. De facto sind das Rechnungskürzungen durch Amazon für vom Vendor nicht oder zu wenig [...]