Wie Sie als Hersteller und Lieferant unter Amazons explodierenden Logistik-Kosten leiden und was Sie dagegen tun können

Jeder, der bei Amazon schon einmal mehrere Artikel zur gleichen Zeit bestellt hat, kennt dieses Phänomen: Selbst, wenn man im Checkout-Prozess sagt, dass die Bestellung in so wenig Teillieferungen wie möglich zusammengefasst werden soll, kommen garantiert mehrere Pakete, oft sogar am gleichen Tag.

Das liegt einfach daran, dass Amazons Logistik kundenzentriert aufgebaut ist. Pakete sollen so schnell wie möglich beim Kunden sein, höhere Transportkosten wurden bisher dafür in Kauf genommen, Margen waren zweitrangig.

Genau das ändert sich gerade.
Das US-Nachrichtenportal Bloomberg hat darüber berichtet, dass Amazons Logistik-Kosten 2017 in den USA um 43% auf 25 Milliarden Dollar gestiegen sind und damit schneller steigen als die Umsätze (31% im Jahr 2017).

Amazon hat diese Entwicklung natürlich genau im Blick und schon vor längerer Zeit damit begonnen gegenzusteuern. Zum Beispiel wurden „Plus-Produkte“ eingeführt. Das sind kleinpreisige Artikel, die nur noch bestellt werden können, wenn der gesamte Warenkorb bei Amazon über 20 EUR liegt.

Jetzt ist aber immer mehr zu beobachten, dass Amazon versucht, Händler und Hersteller in die Pflicht zu nehmen und einen Teil der hohen Logistik-Kosten an diese weiterzugeben.

Marketplace-Händler merken das an den gestiegenen FBA (Fulfillment by Amazon) Gebühren, an den Restriktionen für die Einlagerung und den deutlich höheren „Strafgebühren“ für Langzeitlagerbestand (also Artikel, die mehr als 6 Monate in den Amazon-Fulfillmentcentern eingelagert werden).

Aber auch Hersteller oder Großhändler, die Amazon direkt beliefern (Vendoren), bemerken Veränderungen im Einkaufsverhalten von Amazon.

Was ändert sich für Sie als Vendor gerade am Bestellverhalten von Amazon?

 

Amazon versucht Sie zum Dropshipping zu bewegen

Direktversand-Programm – die Lösung für alle Langsam-Dreher?

Diese Hinweise finden Sie auf der Startseite Ihres VendorCentrals. Außerdem werden Sie regelmäßig mit entsprechenden E-Mails bombardiert und auch die Vendor-Manager von Amazon weisen mit schöner Regelmäßigkeit auf die Vorteile des Amazon Dropshipping-Programms hin.

Der Hintergrund ist klar: Amazon spart Lagerkosten und die Einkaufspreise sind in der Regel niedriger, da doppelte Transportkosten vermieden werden. Die Risiken für Sie sind aber auch nicht ohne: Die ersten 90 Tage werden die Produkte nicht als Prime gekennzeichnet, sondern mit „Gewöhnlich versandfertig in 3 bis 5 Tagen“. Erst wenn die 3-monatige Testphase abgeschlossen ist und Ihre Lieferpünktlichkeit den hohen Amazon-Anforderungen entspricht, werden dem Kunden Prime-Logo und Lieferung am nächsten Tag angezeigt.

Damit steigt bei den Dropship-Artikeln die Absprungrate in den ersten Monaten und Sie verlieren mit hoher Wahrscheinlichkeit Marktanteile an den Wettbewerb.


Zweite Herausforderung: Ihre Logistik-Abteilung muss für den Versand einzelner Artikel an den Endkunden gerüstet sein. Gerade, wenn Sie Massenkonsumgüter herstellen und Ihre Ware normalerweise nur palettenweise versenden, nicht immer selbstverständlich.


Sie werden mit dem Einkauf großer Mengen gelockt

Bulk-Requests – Spatz in der Hand oder Taube auf dem Dach?

Sie kennen das: Amazon bestellt normalerweise kleinteilig und ordert 2-3 mal pro Woche, um die Lagerflächen möglichst nicht zu stark zu belasten. Von dieser Regel wird immer häufiger abgewichen. Einmal im Monat erhalten Lieferanten so genannte „Bulk Requests“ oder „Mengenkaufanfragen“.

Amazon ordert hier größere Mengen und bevorratet sich entgegen der eigentlichen Systematik für längere Zeiträume. Im Gegenzug wird ein Rabatt gefordert. Diese Forderungen reichen von moderaten 5% bis hin zu weltfremden 50% Nachlass auf Ihre Einkaufspreise.

Es kann für Sie sinnvoll sein, diese Anfragen positiv anzunehmen, sollte aber von Fall zu Fall individuell geprüft werden.

[box] Die wichtigste Frage dafür ist: Würde ich die gleiche Menge im gleichen Zeitraum auch ohne Mengenkauf an Amazon verkaufen oder ist es bei dem angeforderten Rabatt sicherer, die gesamte Menge sofort zu verkaufen -> „Spatz in der Hand oder Taube auf dem Dach“?[/box]


Neuen Artikel listen, 3 Tage warten, Erstbestellung da? – Vergiss es!

Bewährte Mechanismen funktionieren nicht mehr

In den allermeisten Fällen war es bislang so, dass Amazon neu gelistete Artikel zeitnah bei Ihnen geordert hat. In kleinen Mengen zwar, aber es wurde bestellt. Einige wenige Klicks pro Woche auf dem neuen Artikel reichten schon aus, damit der Amazon Algorithmus eine Erstbestellung beim Hersteller auslöste.

Das ist leider nicht mehr so selbstverständlich. Wenn das Amazon-System berechnet, dass der Artikel zu wenig Marge abwirft, um profitabel gelagert und versendet werden zu können, wird er nicht bestellt.

Nicht einmal dann, wenn ein Amazon Kunde auf der Produktdetailseite den Artikel vorbestellt.

Damit weicht Amazon erstmals von seiner bislang immer propagierten Strategie der absoluten Kundenzentrierung ab.

[box] Ein Erfahrungsbericht: Ein Amazon-Kunde ruft beim Hersteller an. Er wollte auf Amazon ein TV-Gerät kaufen, bestellte es, trotz des Status „derzeit nicht auf Lager“. Als längere Zeit nichts passierte, telefonierte er mit dem Kundenservice von Amazon und wurde von denen direkt zum Hersteller verwiesen. Er solle doch dort anrufen, vielleicht kann er es ja da direkt kaufen.[/box]

Noch vor einem Jahr wäre das undenkbar gewesen. Amazon hätte alle Hebel in Bewegung gesetzt und den Artikel zur Not sogar unter Einstandspreis verkauft, um den Endkunden zufrieden zu stellen.


Amazon reduziert seine Produktpalette

Selbst Topseller werden ausgelistet – nichts ist mehr sicher

Und auch ein weiterer Pfeiler der Amazon-Philosophie wackelt: „Wir wollen unseren Kunden die größtmögliche Auswahl an Artikeln bieten.“.

Hier gilt inzwischen die Einschränkung: „Aber nicht mehr um jeden Preis“. Vor allem großvolumige Artikel mit geringem Einkaufspreis wie zum Beispiel 20 Liter Benzin- oder Wasserkanister haben es schwer. Sie blockieren viel Lagerplatz und bringen wenig Ertrag. Wenn man entscheiden muss, ob man in seine eigentlich ständig übervollen Lager nun einen 20l Benzinkanister legt, an dem man vielleicht 3 Euro verdient oder den gleichen Platz mit 10.000 SD-Karten füllt, ist durchaus nachzuvollziehen, dass der Kanister den Kürzeren zieht.

Das geht soweit, dass Amazon selbst Topseller komplett auslistet, gar nicht mehr selbst einkauft und den Artikel komplett Marketplace-Händlern überlässt.


Was können mögliche Lösungsansätze sein?

Was können Sie als Lieferant tun? Welche Möglichkeiten und Optionen stehen Ihnen zur Verfügung?

Dropshipping -> Prüfen Sie Ihre Langsam-Dreher auf Amazon. Die Direktlieferung kann hier eine Möglichkeit sein, den Artikel für den Amazon-Kunden verfügbar zu halten. Eine ausführliche Anleitung finden Sie hier: Link

Produkt-Bundles -> Bieten Sie bei margen-kritischen Artikeln ein Zweier- oder ein Dreier-Set an. Die Versandkosten relativieren sich sofort und verteilen sich besser. Natürlich sollten vorher Bedarf und Sinnhaftigkeit überprüft werden. Wie viele private Verbraucher benötigen zum Beispiel ein Dreier-Set 20 Liter Kraftstoffkanister? Als Vendor haben Sie grundsätzlich zwei Möglichkeiten für das Schnüren von Bundles: Soft-Bundles und Hard-Bundles. Unterschiede und Vorgehensweise haben wir hier für Sie zusammengefasst: Link

Preiskalkulation absolut statt relativ -> Der übliche Ansatz bei der Kalkulation der Einkaufspreise für Amazon ist ein prozentualer Aufschlag, der neben den Amazon Back-Konditionen die eigene Gewinnspanne beinhaltet. Gerade bei Artikeln im unteren Preissegment sollten Sie bei der Berechnung der Einkaufspreise auch die (rechnerischen) Kosten im Auge behalten, die Amazon für Picking, Verpackung und Versand an den Endkunden hat. Ein guter Anhaltspunkt hierfür ist der Amazon-eigene FBA-Kalkulator. Eigentlich dafür entworfen, den Händlern auf dem Amazon-Marktplatz den Versand durch Amazon (FBA) schmackhaft zu machen, ist er ein gutes Indiz für die Höhe der internen Logistikkosten der jeweiligen Artikel.

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