Amazon breitet sich immer mehr in Europa aus. Zuletzt kamen die Dependancen in Schweden und Polen dazu, damit ist der Konzern in 8 europäischen Ländern vertreten und man munkelt, dass es mit Tschechien und Dänemark bald 10 Standorte sein werden.

Mit jedem der neuen Ableger steigt für Marken und Amazon Vendoren das Risiko des Cross Border Sourcings durch Amazon.

In diesem Artikel erklären wir, was genau Cross-Border Sourcing bei Amazon bedeutet, welche Folgen es auf Euer Geschäft hat, wie Ihr es erkennt und was die besten Strategien sind.

Was ist Cross Border Sourcing?

Amazon kauft global ein und lagert die Ware dann in das Land um, in dem sie gebraucht wird. Für Amazon kein Problem, denn es verkehren sowieso täglich jede Menge LKWs zwischen den einzelnen Fulfillment Centern in ganz Europa. Für den betroffenen Vendor kann das durchaus zur Herausforderung werden, denn in vielen Fällen sind die Länderorganisationen getrennt operierende Einheiten.
Wenn dann Lieferungen für den deutschen Markt zum Beispiel in Italien eingekauft werden, freut das den italienischen Amazon-Verantwortlichen, den deutschen aber sicher weniger.

Wann geht Amazon fremd?

Der genaue Order-Algorithmus von Amazon ist nicht öffentlich bekannt, aber nach unserer Erfahrung spielen drei Punkte eine Rolle:

  • Die “Landed Costs”, also die Artikelkosten zu denen die Ware in die Amazon FCs geliefert wird
  • Die Verfügbarkeit der Ware in den einzelnen VCs
  • Die Lieferperformance der einzelnen Länder

Die Kosten scheinen dabei der wichtigste Faktor zu sein. Nach unseren Berechnungen reicht schon ein Unterschied von 2% und Amazon kauft nicht mehr im VendorCentral des eigenen Landes, sondern in den Nachbarländern.

Was sind die Konsequenzen?

Zum einen führt dieses Cross Border Sourcing natürlich zu einer Umsatzverschiebung, die vom realen Konsumverhalten abweicht und kann bei Vertrieb, Marketing und in der Produktplanung zu falschen Entscheidungen führen. Zum anderen kann es die gesamte Preispolitik für einzelne Landesmärkte unter Druck setzen.

Machen wir ein Beispiel:

Die Marke X ist in Deutschland fest etabliert, sehr bekannt und verkauft im gesamten Markt zu stabilen, hohen Preisen mit guten Margen.
In Spanien hingegen ist man relativ unbekannt, hat das Ziel, aggressiv Marktanteile zu gewinnen und gibt seinen Händlern daher hohe Rabatte.

Das europäische Amazon Order-System erkennt und vergleicht Bestände und Bezugspreise in ganz Europa und wird dort einkaufen, wo es am günstigsten ist, um seine eigenen Margen zu optimieren und die Waren dann von Spanien nach Deutschland transferieren.

Durch die höhere Marge hat Amazon einen größeren Spielraum für Aktionen und Preissenkungen, als Folge sinken die Verkaufspreise im ganzen Markt und damit auch die Margen aller anderen Händler der Marke X. Dazu kommt, dass die Direkt-Umsätze der Marke X mit Amazon Deutschland sinken. Die schlechtere Performance wird seitens Amazon negativ bewertet, geplante Umsatzziele werden nicht erreicht.

Wie erkennt Ihr Cross-Border Umsätze?

Um rechtzeitig zu erkennen, dass Amazon fremdgeht und Waren im Ausland einkauft, muss man tief ins Amazon VendorCentral eintauchen.

Im Brand Analytics des VendorCentrals gibt es zwei verschiedene Darstellungen:

  • Fertigung (Manufacturing)
  • Sourcing

Umschalten zwischen Fertigung und Sourcing im Brand Analytics (Quelle: Screenshot Amazon)

In der Fertigungsansicht werden alle Daten aller Produkte angezeigt, die von der Marke hergestellt werden, egal woher Amazon die Produkte bezogen hat. In der Sourcingansicht hingegen werden nur die Werte angezeigt, die direkt über das VC bezogen wurden.
Vergleicht man die beiden Werte auf ASIN-Ebene wird schnell deutlich, ob einzelne Artikel fremd gesourct werden.

Zwei Fallstricke gibt bei dieser Analyse:

  • Nicht immer sind alle ASINs auch korrekt zugeordnet, selbst mit einer aktiven Amazon Brand Registry kann es vorkommen, dass die Markenzuordnung nicht funktioniert, Dann bekommt man für die ASIN auch keine Manufacturer-Werte und die Analyse funktioniert nicht.
    Sollte das der Fall sein, kann man für die betroffenen ASINs per Fall im VC die “Manufacturer-View” freischalten lassen. Das funktioniert nach unserer Erfahrung recht zuverlässig.
  • Crossborder Sourcing ist nicht immer absolut. Es kann also durchaus sein, dass Amazon gleichzeitig von verschiedenen Quellen Ware bezieht, zum Beispiel 100 Stück über Euer VC, aber auch 1.000 von den spanischen Kollegen. Dadurch sind solche Fremdbezüge noch schwerer zu entdecken.

Einfacher geht das Ganze, wenn Ihr Tools wie AMVisor benutzt, dort werden diese Fremdbezüge automatisiert aufgedeckt und grafisch dargestellt..

Wie könnt Ihr Cross-Border Sourcing verhindern?

Einheitliche Preisstrategie:
Am effizientesten verhindert ihr diese Querlieferungen durch eine einheitliche, europäische Preisstrategie.
Das sagt sich leicht, ist aber oft schwer durchzusetzen, vor allem, wenn es eigenständige Ländergesellschaften gibt, die als Profit-Center agieren. Versucht trotzdem, Eure Amazon-Preise in Ganz-Europa zu harmonisieren, nur so könnt Ihr eine saubere Distribution gewährleisten.

Zentrale Steuerung:
Betrachtet Amazon Europa als einen Kunden und steuert ihn zentral. Wenn die Verantwortung für alle Amazon Länder in einer Hand liegt, gibt es auch weniger Interessenkonflikte.

Länderspezifische Angebote:
Wenn Produkte international verwendbar sind, begünstigt das Crossborder-Sourcing. Unterscheiden sich die Artikel lokal, haben unterschiedliche EANs und SKUs, verhindert ihr damit auch unerwünschtes Transshipping.

Fazit

Je breiter sich Amazon aufstellt, desto mehr Bezugsquellen erschließt es sich. Damit Hersteller und Marken nicht zum Spielball von Amazon werden, müssen auch sie globaler denken, bestehende Vertriebs- und Preisstrategien hinterfragen und neu denken. Nur so können sie das enorme Potential von Amazon nutzen, ohne dabei selbst unter die Räder zu kommen.

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